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RE: Ein DDR-Museum. Wo ist das Beste und welches ist voll daneben? (von Barbara)

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Zitat von winfried im Beitrag #60Zum Beitrag des GlattenWelche Umstände auch immer, ich zog die Konsequenzen und verließ die DDR per Ausreiseantrag zum Zweck der Übersiedlung in einen Neutralen Staat, deutschsprachig und auf gleicher Meereshöhe, wie mein DDR-Wohnort - nach Österreich.Die erste Nacht in der großen Freiheit verbrachte ich hinter Gittern, weil bei der Unterkunftsuche erkannt wurde, daß ich aus der DDR komme, also ein Spion sein müsse. Am nächsten Tage, nach einem Verhör wurde ich freigelassen, aber durfte ich die Stadt nicht verlassen und mußte mich täglich bei der Polizei melden. Nach 4 Tagen erhielt das Arbeitsamt einen Anruf, daß einer Arbeitsaufnahme polizeilich nichts entgegen steht und nach 30 Minuten beim Arbeitsamt bekam ich Stellenangebote, ich nahm das erste gleich an und wurde in der Bundesrepublik für Projektierungsarbeiten eingesetzt. Als Ingenieur war ich sehr vielseitig und hatte mich sehr schnell in die neue Aufgabe eingearbeitet und wurde geachtet. Hierzu soll man wissen, daß ein guter Ingenieur aus der DDR in der BRD spitze ist. Das schlug sich auch im Verdienst nieder. Das Vorschriftenwerk war vielfach das Gleiche, denn die 0-TGL war ja DIN und die anderen Standard hat man sich schnell besorgt. Das Verhältnis zu den westdeutschen Arbeitskollegen war ein gutes und weil ich fachlich meine Sache gut machte und meine sozialistische Kameradschaft nicht abgelegt hatte, ergaben sich auch persönliche Kontakte und Gespräche. So wurde ich von den Wessis wie einer von denen betrachtet, auch wenn ich nichts Schlechtes über die DDR erzählte, da wurde mir der Begriff Freiheit erläutert. "aber ihr seid doch nicht frei" man betrachtete mich als DDR-Bürger (ich hatte ja auch den DDR-Pass, " ihr könnt doch nicht sagen der Honecker ist ein Arschloch, während wir sagen können der Schmidt ist ein Arschloch und da passiert nichts". Der westdeutsche Freiheitsbegriff definiert und beschränkte sich als darauf, daß man straffrei in ungezogener Weise das Staatsoberhaupt mit einem Schimpfwort belegen darf. Eine solche Primitivität und Unanständigkeit hatte ich vorher den Westdeutschen gar nicht unterstellt. Laut Strafgesetzbuch der BRD steht die Verunglimpfung des Staates und des Staatsoberhauptes unter Strafe. Diesen blau unterlegten Spruch habe ich zu Hunderten von allen Bürgern, mit denen ich Kontakt hatte, mir anhören müssen, von Schülern, Lehrlingen, Facharbeitern, Meistern, Ingenieuren, Doktoren, Generaldirektoren usw. Es war erschütternd in welch einer unterentwickelten Gesellschaft ich mein Geld verdienen durfte. Die privaten Kontakte vertieften sich und ich gehörte 1985 mit den ersten, die sich einen Computer zulegten und so ergaben sich Interessengruppen in der Erhaschung von Programmen, bevor sie auf den Markt kamen. Wir trafen uns bei mir und bei den anderen in der Wohnung, wir schrieben Programme, tauschten sie aus, halfen uns wenn es Systemabstürzte gab und so entstand ein Klima, daß die Westdeutschen ihre innerste Meinung über die DDR, den Sozialismus und der dort lebenden Menschen preisgaben. Zusammengefaßt: der Bundesbürger haßt die DDR-Büger wie die Pest, aber in einem so ausgeprägtem Maße, daß es einem schwindlig wird. Das kann sich keiner vorstellen, wenn er das nicht so wie ich oder ähnlich selbst erfahren mußte. Aber die Unterentwickelheit der Menschen läßt es auch gar nicht zu, zu versuchen zu erklären, daß die DDR eine gesellschaftliche Entwicklung genommen hat, die der der BRD um ca. 40 Jahre voraus ist. Wer die dritte Klasse nicht geschafft hat und nicht versetzt werden konnte, den kann man nicht einfach in die 11. Klasse stecken, der versteht Bahnhof. Als die DDR dummerweise " die Grenze wieder öffnete" brach natürlich die DDR zusammen und damit auch die von der DDR abhängige Sowjetunion. Danach sollten die gelernten DDR-Bürger plötzlich die gleichen Deutschen sein , wie die Westdeutschen. Den Staat DDR gabs nicht mehr, aber der Haß auf DDR-Bürger, der blieb umso substantieller, weil man das System nicht mehr angreifen konnte, das gab`s nicht mehr, aber die Bürger dieses untergegangenen Staates, auf die konnte man nun trampeln - bis heute, mit wenig abnehmender Tendenz.In Österreich vollzog sich ein noch krasserer Wandel, während ich früher hier geachtet wurde, darf ich seit der Wende nicht sagen wo ich her komme, das ist regelrecht gefährlich, das führte zum Beispiel 2009 in einem Krankenhaus hier zur sofortigen Entlassung. In einem anderen Krankenhaus 2012 hat der Mit-Patient des Zweibettzimmers mir erklärt, nachdem er feststellte, daß mein Geburstort, auf dem Territorium Deutschlands , nach Kriegsende die SBZ und ab 1949 die DDR war, daß ich dieses Krankenhaus nicht lebend verlasse werde. Beim Zusammentreffen von Interessengruppen wurde mir von Freunden angetragen, möglichst nichts zu sagen, gleich gar nicht wo ich herkomme und auf keinen Fall ein Wort von Sozialismus oder Kommunismus, dann könne man für nichts mehr garantieren. Soviel über das Bildungsniveau der Menschen im Kapitalismus.Ich wünsche allen alles GuteWinfried... bin ich froh, dass die Österreicher doch noch ein bisschen schlimmer sind als die Wessis. Puh Glück gehabt....

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