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RE: Angst und Schrecken durch das MfS, war dran an der Behauptung (von student)

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Ich muß weit zurückgehen, immerhin zu einem Beitrag von Feliks D., womit der Bezug zum Thema bestimmt gesichert ist. Im Beitrag # 57 schreibt Feliks D.: "Wer ? [hat ihn in den Knast gebracht?] - er selbst als (un)verantwortlich handelndes Rechtssubjekt ..." Und "Was [hat ihn in den Knast gebracht?] - eine strafbare Handlung nach dem StGB ! " Ich weiß nicht, ob Feliks D. sich darüber klar ist, in welche Gesellschaft er sich mit dieser bequemen simplifizierenden Darstellung begibt (es sei denn, diese Aussage wäre ironisch gemeint, was ich nicht annehme). Fiat justitia, et pereat mundus - es möge Recht geschehen, und wenn darüber die Welt zugrunde geht. Natürlich das Recht, das zuvor gesetzt wurde, und damit hat alles seine Ordnung, man ist des eigenen Nachdenkens enthoben, und diejenigen, die sich mit dem System anlegen (oder sich ihm zu entziehen versuchen), haben ja selbst schuld. Dem halte ich entgegen, was über den "Eid des englischen Soldaten" geschrieben worden ist: "Der englische Soldat wird also vom Gesetz keineswegs als eine willenlose Maschine angesehen, der dem ihm gewordenen Kommando gehorchen muß ohne zu räsonieren, sondern als ein 'free agent', ein Mann mit freiem Willen, der in jedem Augenblick wissen muß, was er tut und für jede seiner Handlungen verantwortlich ist. Die englischen Richter würden einem angeklagten Soldaten schöne Dinge antworten, wenn er zu seiner Verteidigung sagte, das Feuern sei kommandiert worden und er habe 'Ordre parieren' müssen." (Nachzulesen in Marx/Engels Werke, Bd. 6 der Ausgabe von 1959 des Dietz Verlag auf Seite 333). Nicht alles, was formales Recht ist, ist deswegen auch gerecht, und wenn man, aus welchen Gründen auch immer, vor Zeiten der Ansicht gewesen ist, das sei so in Ordnung, dann sollte man aus einer gewissen Altersweisheit heraus auch solche scheinbar unumstößlichen Ansichten in Frage stellen, und sei es nur alleine in einem dunklen Zimmer. Was "Angst und Schrecken" angeht : Ich habe zu keiner Zeit Angst gehabt oder bin in Schrecken versetzt worden, weil das nur bei solchen Menschen möglich ist, die sich ihrer selbst nicht sicher sind. Tatsächlich hatte derjenige nichts zu befürchten, der sich mit dem System arrangiert hat. Die Frage ist dabei, was man als moralischer ansieht: Das Sich-fügen oder der Versuch, eigene Vorstellungen von seinem Leben zu realisieren. Schlimm war nur, daß die Amöben in weit höherem Ansehen standen als diejenigen, die kritisch-loyal waren. Jedes autoritäre oder totalitäre System hat die Tendenz, sich früher oder später auch gegen diejenigen zu wenden, die ihm am wohlgesonnensten sind. - Wie gesagt, mich stört es gar nicht, wenn jemand eine Überzeugung vertritt, auch wenn sie aus der Mode gekommen ist. Aber sich auf die Position zurückzuziehen, alles sei ja schließlich nach geltendem Recht und Gesetz zugegangen, da befindet man sich tatsächlich in keiner sehr schmeichelhaften Gesellschaft. Ich finde es übrigens unangebracht, heute, wo man sich in der Position des ungefährdeten erschütterten Anklägers wähnt, mit Worten wie "Verbrecher" und dergleichen um sich zu werfen. Man ändert damit nichts an dem, was gewesen ist, und man sollte denen, die es nötig haben, nicht noch die Begründung dafür liefern, daß sie sich selbst als Opfer der nunmehrigen Verhältnisse verstehen können. Immerhin ist ihnen auf humane Weise nahegebracht worden, was Cicero wußte: "Qui alteri exitium parat, eum scire oportet sibi paratam pestem" - Wer anderen Untergang bereitet, der muß wissen, daß ihm selbst Verderben droht. Und ausdrücklich auch an Feliks D. gerichtet: "Wer dem Volke falsche Revolutionslegenden erzählt und es - ob vorsätzlich oder aus Unwissenheit - durch Geschichtsdithyramben täuscht, ist ebenso strafbar wie der Geograph, der falsche Karten für den Seefahrer entwirft." (Lissagaray, "Geschichte der Kommune"). Die ganze DDR war doch so eine Legende, und bei Deiner Profession solltest du doch wissen, daß es nur makaber ist, an seiner Legendierung festzuhalten, nachdem man für alle sichtbar aufgeflogen ist.

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